Ist Hyper-V nur etwas für KMU?

Unterhält man sich mit Experten für Virtualisierung, ist die Meinung klar – Hyper-V ist nur etwas für kleine Unternehmen – für größere Installationen muss es VMware sein. Aber stimmt das und woran liegt es, dass Hyper-V oft nicht den Zuschlag bekommt?

von Frank Wagner am 18.03.2022

Die Welt der Virtualisierung teilt sich auf in VMware und, naja - dem Rest. Je nach Statistik hat VMware einen Marktanteil von 40 % -50 % und Hyper-V nur wenige Prozent.

Bedenkt man, dass die gesamte Azure Platform auf Hyper-V ausgeführt wird und Hyper-V in jeder Windows Installation enthalten ist, ist dies durchaus ein interessantes Ergebnis.

Natürlich hat dies auch viel mit Marketing zu tun – Microsoft vermarktet Hyper-V nicht als separates Produkt, sondern eben Windows und Azure. Aber wir wollen uns hier auf die technischen Gründe konzentrieren.

 

Unterstützte Gastbetriebssysteme

Ein wesentliches Argument für VMware ist die breitere Unterstützung von Betriebssystemen. So unterstützt VMware MacOS, Solaris und einige seltene Linux Derivate. Bei Hyper-V liegt der Schwerpunkt hingegen auf Windows (natürlich) und den wichtigsten Linux Versionen (z. B. Ubuntu, SUSE, Red Hat).

Die Frage ist: in wie vielen Unternehmen findet man tatsächlich andere VMs als Windows (oft mit einem Anteil von mehr als 80 % der VMs) und den Enterprise Linux Versionen von SUSE, Red Hat oder Ubuntu?
Nach unserer Erfahrung: in sehr wenigen.

 

Hochverfügbarkeit und Live-Migration

Häufig hört man, dass Hyper-V nicht hochverfügbar ist und keine Live-Migration von VMs unterstützt.
Beides ist völlig falsch und hat seine Ursache wahrscheinlich darin, dass – manchmal auch bewusst – ignoriert wird, dass Hyper-V Teil von Windows-Server ist. Und somit hat Hyper-V keine eigene Cluster Lösung, sondern integriert sich in den Windows Failover Cluster. Migration ist sogar ohne Failover Cluster oder geteilten Storage möglich. Virtuelle Maschinen können Laufwerke gemeinsam nutzen und somit selbst Cluster bilden und das ohne Zusatzprodukte.

Hier also gibt es kaum Gründe, die nur für VMware sprechen.
 

Memory Management

VMware hat zahlreiche Speicheroptimierungen implementiert – z. B. Guest Balooning, Page Sharing und Oversubscription. Hyper-V bietet hier nur Dynamic Memory, was in etwa der Oversubscription von VMware entspricht. In der Praxis sind allerdings alle Features zur Speicheroptimierung mit Vorsicht zu betrachten. Die meisten Softwarehersteller empfehlen feste Memoryzuordnungen für Software auf virtuellen Maschinen, da es sonst bei Performanceproblemen schwer ist, die Ursache zu analysieren. Und auch ohne diese Einschränkung wird schon aus Kostengründen – RAM ist verhältnismäßig günstig – oft eher mehr RAM bereitgestellt als zu wenig.
Ein Sizing der Hosts sollte also immer den maximalen Workload jeder Applikation berücksichtigen und dann ist eine Optimierung hier oft selten sinnvoll bzw. möglich.

 

Verwaltbarkeit

VMware hat mit dem vCenter Server ein zentrales Werkzeug, um alle Aspekte der virtuellen Umgebung zu verwalten. Hyper-V Verwaltung ist hingegen auf zahlreiche Werkzeuge verteilt. Microsoft typisch gibt es grundlegende Werkzeuge wie den Hyper-V Manager, Ereignisanzeige oder den Failover-Cluster Manager in den Verwaltungstools (gerne auch von den Admins lokal auf den Hosts gestartet). Und natürlich ist da das Microsoft System Center: Microsoft empfiehlt das System Center, um große Serverlandschaften zu verwalten - inklusive Tools zur Verwaltung von VMs. Das alles ist aber weniger aus einem Guss und somit hat man immer etwas das Gefühl sich die Lösung zusammenklicken zu müssen.
Das fängt schon beim Erstellen der VMs an. Wo VMware die Daten der VM ablegt, organisiert es selbst – bei Hyper-V arbeitet man direkt auf dem Dateisystem des Hosts und wie man die Dateien richtig organisiert, muss man im Zweifelsfall wissen.

Hier liegt VMware klar vorne.

 

Fazit

Wir könnten noch zahlreiche weitere Aspekte vergleichen – z. B. Storage Lösungen und Skalierbarkeit. In diesen Bereichen sind die Unterschiede aber weniger signifikant für die ursprüngliche Fragestellung: woran liegt es, dass Hyper-V den Ruf hat, nicht als Enterprise Lösung geeignet zu sein?

Aus unserer Sicht fehlt es bei Hyper-V Installationen am Anfang oft an einem klaren Management Konzept. Storage, Cluster, Überwachung und Deployment sind auf verschiedene Teile der Windows Server Lösung verteilt und jedes Unternehmen bzw. jeder Admin überlegt sich sein eigenes Konzept zur Verwaltung.

Bei VMware spielt dies erst ab einer sehr großen Anzahl von VMs bzw. einem hohen Automatisierungsgrad eine Rolle. Und die Einführung verlangt sowieso die Unterstützung von erfahrenen Beratern, somit können Best Practices gleich zu Beginn berücksichtigt werden.

Bei Hyper-V hingegen kann man einfach „so“ loslegen und zum Beispiel VMs direkt auf dem Host mit dem Hyper-V Manager verwalten – eine vermeintlich einfache Lösung, die aber ab einer größeren Zahl von VMs und Host schnell unübersichtlich wird. Und auch ohne großes Storage und Netzwerkdesign kann man schnell starten und sich genauso schnell verzetteln, wenn komplexere Anforderungen wie Cluster oder VLAN dazu kommen.

Es gibt somit einen schleichenden Übergang zwischen kleinen und großen Installationen, was im Sinne der Skalierbarkeit eigentlich ein Vorteil von Hyper-V ist.
Doch dies führt dann dazu, dass vielen IT-Abteilungen ab einer gewissen Komplexität die gewachsene Lösung über den Kopf wächst und diese sich schlagartig nach einer Alternative umsehen.

 
Dadurch kann schnell der Eindruck entstehen Hyper-V eigne sich nur für KMUs – doch das ist im Kern falsch: Hyper-V eignet sich auch für KMU und kann – bei entsprechender Planung – auf jede Unternehmensgröße skalieren.

 
Um es nicht zu vergessen: mit Azure läuft einer der größten Hyperscaler der Welt auf Hyper-V!

  • Autor:   Frank Wagner